Das Medienkonzept der Widar Schule
Zum Begriff der Medienpädagogik
Wenn wir das Wort „Medien“ hören, denken wir in der Regel meist an Handy, Computer, Laptops oder Notebooks. Ein Medienkonzept für eine Schule wird demnach landläufig als ein Konzept betrachtet, das plant, wie die Schüler*innen im Umgang mit eben diesen modernen Medien geschult werden. Das planen wir auch, denn für uns ist die Forderung Rudolf Steiners, den Menschen am Ende seiner Schulzeit als Zeitgenossen in die Gesellschaft zu entlassen, nach wie vor bindend. Natürlich sollen die Schüler*innen der Widar Schule in die Welt gehen und wissen wie man zum Beispiel digital eine Bewerbung erstellt und verschickt oder wie man eine Power Point-Präsentation erstellt.
Dennoch verstehen wir unter dem Begriff „Medienkonzept“ mehr. Die Waldorfpädagogik betrachtet den jungen Menschen in seinen unterschiedlichen Entwicklungsprozessen und richtet die Lernstoffe entsprechend dazu aus. Mit Blick auf die Medienpädagogik stellen sich daher für uns als Kollegium der Widar Schule unterschiedliche Fragen: Wann und warum arbeiten wir mit den Schüler*innen mit welchem Medium? Wann treten die Schüler*innen im Unterricht vor Ort in direkten Kontakt mit elektronischen Medien? Warum wollen wir elektronische Medien in den ersten Schuljahren absichtlich nicht einsetzen?
Für unser Konzept nehmen wir also erstens die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen von der Stufe E/1. bis zur 12./13. Klasse in den Blick. Zweitens arbeiten wir dabei mit einem stark erweiterten Medien-Begriff: Auch Bücher, Stifte, Arbeitsblätter, Pinsel und Kreiden sind Medien. Folglich ist für uns Unterricht generell auch immer „Medienpädagogik“. Wir unterscheiden allerdings zwischen indirekter und direkter Medienpädagogik: Die „direkte Medienpädagogik“ bezeichnet den Umgang und Einsatz elektronischer Medien im Unterricht; die „indirekte Medienpädagogik“ als Vorstufe arbeitet hingegen ohne den Einsatz elektronischer Medien an den Willenskräften des Kindes. Dies ist unserer Meinung nach unabdingbar für das Leben in unserer globalisierten Medienwelt: Nur ein körperlich wie seelisch-geistig gesunder, willensstarker Mensch kann am Ende selbstbestimmt elektronische Medien für seine bzw. ihre Zwecke nutzen – ohne sich von ihnen abhängig zu machen oder fremdbestimmen zu lassen.
Direkte und indirekte Medienpädagogik bedingen einander und treten in den unterschiedlichen Jahrgangsstufen in unterschiedlicher Gewichtung auf:
(Quelle Grafik: Bund der Freien Waldorfschulen/Tessin-Lehrstuhl für Medienpädagogik der Freien Hochschule Stuttgart)
Indirekte und direkte Medienpädagogik im Ablauf der Klassen E/1 bis 12/13
Die Klassenstufen E/1 bis 4 halten wir an der Widar Schule bewusst frei von Arbeit mit und an elektronischen Medien. In diesen Klassenstufen steht die analoge Begegnung mit der Welt im Zentrum des Unterrichts. Dazu gehört natürlich das Erlernen von Kulturtechniken wie Schreiben, Lesen und Singen, aber auch die Auseinandersetzung mit der Arbeit in der Natur, dem Formenzeichnen, dem Spielturnen und dem Werken. Ziel ist es, dem Kind zu helfen, sich in der Welt zu beheimaten und seinen Lebens- und Gestaltungswillen zu entwickeln. Denn den braucht das Kind später, um sich als Jugendlicher und Erwachsener selbstbestimmt in der Welt bewegen zu können. Etwa um das 10. Lebensjahr, also grob beim Wechsel von der Grundschul- zur Mittelstufenzeit, kommt dem Kind die zuvor erlebte Einheit mit der Umwelt abhanden: Das Kind lernt, zwischen sich und der Welt, zwischen Ich und Du bewusst zu unterscheiden. Durch die später ebenfalls einsetzende Pubertät ist der bzw. die Jugendliche der Mittelstufenklassen nun nicht nur aufgerufen, die Gesetzmäßigkeiten der Welt an sich zu verstehen. Er bzw. sie muss auch die Beziehung zwischen sich und seiner Umwelt neu aufbauen.
In den Klassenstufen 5 bis 8 geht es also speziell auch darum, soziale Kompetenzen weiter zu entwickeln und Beziehungen zu Mitmenschen wie der Umwelt bewusst zu gestalten. In dieser Klassenstufe setzt an der Widar Schule die direkte Medienpädagogik Schritt für Schritt ein. Sie dreht sich zunächst um Aspekte wie das buchstäbliche „Begreifen“ des elektronischen Mediums, um das „Wie“ und „Wann“ der Handy- und Computernutzung, inklusive „Chatiquette und Netiquette“, d. h. das Verhalten im analogen und digitalen Raum wie etwa den sozialen Netzwerken. Im weiteren Verlauf der Mittelstufe kommen dann erste Recherchen im Internet dazu. Die Auseinandersetzung bzw. die qualitative Auswertung von Informationen aus dem Internet (Quellenkritik) beginnt in dieser Stufe und auch das Erlernen des Zehn-Finger-Systems auf der Tastatur hat hier seinen Platz.
Zentrales Ziel der Klassenstufen 9 bis 12/13 ist die Entwicklung der eigenen Urteilskraft sowie die weitere Entfaltung der Individualität. Die Jugendlichen sind nun auf unterschiedliche Weise gefordert, das eigene Auffassungsvermögen zu schulen und zu gebrauchen, Initiativkraft zu entwickeln und zu einer differenzierten Weltsicht zu gelangen. Dass zur Ich-Findung, zur Erarbeitung, Abwägung, Dokumentation und Präsentation meines eigenen Standpunktes der Umgang mit elektronischen Medien gehört, ist selbstverständlich und daher sitzt in diesen Jahrgangstufen das Herz der direkten Medienpädagogik. An der Widar Schule werden die Schüler*innen daher von Klasse 9 bis Klasse 11 wöchentlich zwei Stunden medienpädagogisch unterrichtet. Für diesen Unterricht steht an der Widar Schule ein eigener Medienraum mit Computern, Internetzugang und Beamer zur Verfügung. In diesem Unterricht wird u. a. vermittelt:
- Aufbau eines PC sowie elementare Funktionen am PC (Ordner erstellen, speichern, kopieren, etc.)
- Textverarbeitung (Aufbau von Textverarbeitungsprogrammen, Erstellen von Texten, Quellen- und Literaturverzeichnissen, Einfügen von Bildern)
- Formen des Schriftverkehrs im Internet (Aufbau einer geschäftlichen E-Mail, Formulierung sinnvoller Betreffs, Anhänge etc.)
- Verarbeitung von Zahlen, Tabellen und Diagrammen in Kalkulations-Programmen
- Umgang mit Präsentations-Programmen sowie Präsentationstechniken
- Umgang mit Fragen des DatenschutzesAufbauend auf dem oben genannten Grundkonzept ergeben sich Möglichkeiten, spezielle Inhalte von Medienpädagogik in die einzelnen Fachunterrichte ausstrahlen zu lassen. So sind etwa die Räume der Oberstufenklassen an der Widar Schule ebenfalls mit Beamern und Internetzugang ausgestattet. Sie können unter anderem dazu verwendet werden, die in der Medienkunde vermittelten Inhalte im Sprach- oder Hauptunterricht wieder aufzugreifen bzw. fachspezifische Inhalte wie etwa die Filmanalyse zu vermitteln.